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Leading by Intent – Die Geheimwaffe des Product Owners

Leading by Intent - Die Geheimwaffe des Product Owners

Leading by Intent basierte Führung scheint der letzte Schrei in der Management-Lehre zu sein. Die Führungskraft erklärt, warum etwas getan wird oder getan werden muss. Klingt eigentlich trivial und selbsterklärend – denkt man. Die Praxis sieht anders aus und besonders der Product Owner spielt hierbei eine ganz besondere Rolle, die er oft unterschätzt.

Leading by Intent – Um was geht’s?

Wir reden von „intrinsischer“ Motivation und wünschen uns diese von allen Beteiligten im Unternehmen. Die Mitarbeiter sollen aus eigenem Antrieb heraus motiviert, selbständig und kreativ sein. Das funktioniert aber nur, wenn jeder weiß, warum sie/er etwas tut und welchem (höheren) Zweck dieses Etwas dient.

„Mehr Umsatz und Gewinn machen“, was ich in dem Zusammenhang als Intent oft höre, reicht nicht. Wirtschaftliche Kennzahlen helfen in dem Fall nur bedingt. Sie sind ein Indikator dafür, ob der Zweck einer Unternehmung richtig war. Das heisst, sie belegen, ob das was wir tun, einen Mehrwert schafft – sprich die Kunden oder Nutzer in Summe bereit sind, mehr zu bezahlen als wir investieren.

Die eigentliche Arbeit fängt nicht bei der Definition, sondern beim Vermitteln des Ziels an.

Einer der Hauptaufgaben von Führungskräften ist es daher – egal ob Führung im inhaltlichen oder disziplinarischen Sinne – diesen Zweck herauszuarbeiten und der Organisation beziehungsweise dem Team zu vermitteln. Das Prinzip von „Führen mit Auftrag“ ist nicht neu und wurde schon im 19. Jahrhundert von Karl Bernhard von Moltke und Carl von Clausewitz in Bezug auf militärischen Operationen erörtert.

Eine moderne Form des Ansatzes findet Ihr von David Marquet bei Youtube:

Und genau da liegt der Knackpunkt. Es reicht nicht, nur das Ziel und den Zweck zu definieren oder gar als Visionär aufzutreten. Die eigentliche Arbeit fängt beim Erklären des „Intents“ an – und zwar bei denen, die die Vision umsetzen. Dieser Teil ist anstrengend und mühsam und muss zudem an die Bedürfnisse der verschiedenen Empfänger, Bereiche und „Gewerke“ angepasst werden. Aber warum fällt „Leading by Intent“ eigentlich so schwer?

Wir haben’s doch erklärt

Bei einer Firma, in der ich als Agile Coach tätig war, hatte das Produktmanagement diese Aufgabe für sich sogar explizit ausgeschlossen. Die  Begründung war unter anderem, dass die Teams sich intrinsisch motivieren müssten. Eine solche Haltung basiert im Grunde auf einer Fehlinterpretation der Rolle des Product Owners. Es geht nicht darum, der „Cheerleader“ des Teams zu sein, sondern es vom übergeordneten Sinn und Zweck des Ziels, also vom „Intent“ zu überzeugen.

Wenn ein Product Owner es nicht schafft, sein Team zu inspirieren, wird er seiner Rolle nicht gerecht.

In einem anderen Fall ging es um die Neuausrichtung der Produktbereiche, was unter anderem mit der Umstellung auf selbstorganisierte Teams einher ging. Diese sollten auf Basis von Jahreszielen Ihre Roadmaps selbst definieren. Das Management stellte die Ziele in Form eines Auftrags in einem Kick Off vor und der Fortschritt sollte dann zur Halbzeit überprüft werden.

Das Ergebnis? Verwirrung, Unsicherheit und ein spürbares Misstrauen zwischen Management und den Bereichen. Zum einen waren weder die Product Owner noch die Teams auf die neue Arbeitsweise mental und methodisch vorbereitet. Zum anderen verstanden sie nicht die dahinter liegende Absicht – also den „Intent“.

Warum ist das nur so schwer?

Wenn ein Ziel klar ist, dann sollte es doch kein Ding sein, dieses auch zu vermitteln, oder? Wie immer bei solchen Fragestellungen ist die Antwort vielschichtig. Drei mögliche Erklärungsansätze.

Fehlende Empathie für Leading by Intent

Der Führungskraft, als die ich auch den Product Owner sehe, fehlt die notwendige Empathie. Wie bitte? Ja genau, Empathie. Die wesentliche Aufgabe einer Führungskraft liegt darin, sich mit Themen wie Vision, Strategie und Ziele auseinander zu setzen, die dafür erforderlichen Informationen zu beschaffen und zu bewerten. Die Hauptaufgabe eines Teams wiederum ist es, die richtigen Produkte dafür entwickeln.

Das größte Problem in der Kommunikation ist die Illusion, sie hätte stattgefunden.

George Bernard Shaw

Es ist also gar nicht möglich, dass jeder im Unternehmen auf all diese Inhalte und Erkenntnisse zu jeder Zeit zugreifen kann und diese dann auch noch richtig interpretiert. Der Product Owner aber, der sich regelmäßig auf dieser „Flughöhe“ bewegt, verliert irgendwann des Gespür, was sein Team darüber weiß und was nicht. Frei nach Paul Watzlawick: „Die größte Gefahr der Kommunikation ist die Illusion, dass sie stattfindet“.

Hierdurch entsteht ein Bruch und die Zielformulierung wird zur leeren Worthülse. Als Folge kann ein Konflikt zwischen dem Product Owner und dem Team entstehen. Die Aufgabe des Product Owners liegt also darin, sich bewusst zu sein, wer in seinem Ökosystem wann welche Informationen benötigt. Erst dann kann er das Vertrauen in seine Rolle schaffen und damit auch das Vertrauen in die Unternehmensführung. Als Voraussetzung dafür muss er aber in der Lage sein, sich in sein Umfeld hineinzuversetzen – also Empathie aufzubauen.

Fehlende Methodik für Leading by Intent

Vielen Product Ownern und Führungskräften, die ich bisher erlebt habe, fehlt schlicht die methodische Kompetenz. Zum einen, wie Ziele hergeleitet, zum anderen wie diese kommuniziert werden. Die Herleitung erfordert Kenntnisse und Erfahrungen in der Strategieentwicklung (siehe auch Die 7 Schritte zu einer guten Product Strategy).

Führungskräften fehlt es häufig an der methodischen Kompetenz, um Ziele herzuleiten und zu vermitteln.

Oft resultieren Ziele aus einem „Bauchgefühl“ oder einem Wunschdenken heraus statt aus einer strukturierten Betrachtung, beispielsweise mit Hilfe des 3C’s model nach Kenichi Ohma, das hilft, die drei Kraftfelder Kunde (Customer), Unternehmen (Company) und Wettbewerb (Competition) systematisch zu beleuchten.

Bei der Kommunikation bleiben viele beim sogenannten „Tell“ stecken – frei nach dem Motto: „Wir erzählen den Leuten, wo wir hin wollen und dann sollen sie loslaufen und die besten Lösungen finden“. Leider ist die Welt nicht so einfach. Es mag Situationen geben, in denen das ausreicht. Meistens gehört aber mehr dazu, um ein Team zu überzeugen und auf eine gemeinsame Mission einzuschwören. Einen guten Einstieg dafür bieten Ansätze wie Seven Level of Authority oder das Situative Führen.

Zu geringe Affinität zum Thema für Leading by Intent

Ein Team spürt, ob sein Product Owner hinter dem Thema steht oder eben nicht. Das kann sich durch sein gesamtes Auftreten oder durch ausweichende Antworten beim Hinterfragen der Ziele äußern. Häufig liegt das an einer fehlenden Identifikation des Product Owners mit seiner Aufgabe – mögliche Gründe:

  • Der Product Owner hat den Zweck der Zielstellung selbst nicht verstanden. In diesem Fall ist es seine unbedingte Aufgabe, die dafür erforderlichen Informationen – gegebenenfalls auch direkt beim Management – einzufordern, und zwar so lange und energisch, bis er in der Lage ist, sein Team vom Auftrag zu überzeugen.
  • Hinter dem Ziel verbirgt sich eine „versteckte“ Absicht. Diese kann strategischer Natur sein, wie etwa ein bevorstehender Verkauf des Unternehmens. Eine schwierige Situation, da die Mitarbeiter, die für die Umsetzung verantwortlich sind, den eigentlichen Zweck Ihres Handelns nicht kennen dürfen.
  • Der Product Owner hat keinen Bezug zum Thema seines Produkts. Zwar lautet einer der Leitsätze im Produktmanagement „Don’t fall too much into love with your product.“ (Marty Cagan), aber ein erkennbares Interesse an der Sache und vor allem an den Problemen der Zielgruppe(n), die es zu lösen gilt, muss vorhanden sein.
  • Der Product Owner ist ein externer Mitarbeiter. Freelancer können für bestimmte Aufgaben und zeitlich befristete Projekte einen großen Mehrwert schaffen. Eine hohe Identifikation mit dem Produkt oder gar dem Unternehmen darf aber nicht erwartet werden. Falls sich das Produktteam hauptsächlich aus „Externen“ zusammensetzt, kann sich das langfristig zum Problem sowohl für die Teams als auch für das Produkt entwickeln.

Leading by Intent – Fazit

Einer der zentralen Aufgaben des Product Owners ist es, sein Team zu „inspirieren“. Das heisst, ihm immer wieder vor Augen zu führen, warum es etwas tun soll und welchen Mehrwert es für das Unternehmen schafft.

Viele seiner operativen und taktischen Aufgaben können irgendwann an das Team – ein entsprechender Reifegrad vorausgesetzt – übergeben werden. Was aber nur schwer beim Team liegen kann, ist die ständige Interaktion mit seinen Stakeholdern und dem Management auf einer strategischen „Flughöhe“, sowie die Definition der daraus abgeleiteten Produktziele und deren Kommunikation.

Wenn der Product Owner diese Rolle nicht versteht oder verstehen will, stellt er damit seinen eigenen Mehrwert infrage.

Bild 1: Schulklasse in Riga (Lettland) von Martin Heckmann

4 Kommentare

  1. Daniela sagt

    Hallo Martin, vielen Dank für den spannenden Beitrag! Deinen Hypothesen kann ich nur zustimmen. Ich würde ergänzen, dass generell in Organisationen zu wenig über ein gemeinsames Rollenverständnis gesprochen wird. Dieses sollte dann im besten Fall noch in einem zweiten Schritt konkretisiert werden: Was bedeutet dieses Verständnis konkret? Woran bemerken wir, dass z.B. ein Product Owner seine Rolle lebt und intent-basiert führt? So werden alle Beteiligten sensibilisiert, die Rolleninhaber können die notwendigen Kompetenzen aufbauen und sich bei der Umsetzung dieser Verhaltensweisen kontinuierlich verbessern. Mich würden Praxisbeispiele von intent-basiertem Verhalten sehr interessieren. Hat jemand positive Beispiele?

  2. […] Hier möchte ich mich kurz halten. Nicht weil Strategieentwicklung weniger relevant wäre, sondern weil ich auf das Thema schon ausführlich eingegangen bin – Siehe dazu meine beiden Artikel „Hey, Produktmanager, mach‘ mal Strategie!“ – Die 7 Schritte zu einer guten Product Strategy und Leading by Intent – Die Geheimwaffe des Product Owners. […]

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